Stehende Ovationen für begeisternde sinfonische Blasmusik und viel Dankbarkeit prägten am Samstag im Theatersaal des K das 30. Wohltätigkeitskonzert der Städtischen Orchester Kornwestheim zugunsten des Vereins Gemeinsam für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderungen.
Georg Linsenmann, 27. November 2023, Ludwigsburger Kreiszeitung
Stets ist das Benefizkonzert der Städtischen Orchester ein Ereignis. Die lokalen Musikerinnen und Musiker teilen sich dabei die Bühne mit einem Profi-Spitzenensemble – nun schon zum wiederholten Male das Landespolizeiorchester Baden-Württemberg. Dessen Auftritt zündete dann auch aus dem Stand. Mit „Banditenstreichen“, so der Titel des Werkes von Operettenmeister Franz von Suppe, kennen sich die Ordnungshüter schließlich aus. Dem Orchester wie auf den Leib geschrieben wirkte diese Bläser-Fassung der Ouvertüre, zumal das Ensemble hier gleichsam in Kurzfassung besondere Qualitäten seines Musizierens präsentieren konnte. Vorneweg überzeugte es mit überragender Klangkultur in allen Gruppen, gleich anfangs im abschnittsweisen Wechsel von Blech- und Holzbläsern, dann durchgängig in wieselflinken Ausfächerungen. Messerscharfe Zäsuren und mächtige Tutti-Schläge sorgten für Gliederung, schwelgerisches Singen, rasante Rhythmik und wilde Wirbel, sinnfällige Tempowechsel samt operettenhafter Verschleifungen bescherten eine betörend farbenreiche Klangsinnlichkeit. Eine dynamisch bis ins Kleinste durchgeknetete Verfolgungsjagd mit Versteckspielen — und einem zackigen finalen Forte- Zugriff
Klar, dass dieses Ensemble auch forderndem Repertoire des Barock gewachsen ist, etwa drei Tänzen aus dem „Terpsichore“ – Konvolut von Michael Praetorius. Wobei der Bläsersatz von Bob Margolis das Streben nach Tiefenschärfe im Klangbild zur vollen Entfaltung kommen lässt. Die volle barocke Fülle, vital aufpolierte höfische Musik voller kammermusikalischer Feinzeichnung und prächtigem Ensemblespiel. Im Tempo auch mit Risikobereitschaft, bis hin zu einem tollkühnen Glissando-Sturz. Barock mal ganz anders, aber nicht minder glanzvoll gab es in Carlos Cano Escribäs Klarinettenkonzert auf der Basis barocker Themen zu hören. Brillant präsentierte sich die kubanische Solistin Carelys Camporredondo mit virtuosem Linienspiel, aber auch in der Verschmelzung mit dem frisch und leidenschaftlich agierenden Ensemble. Schlussendlich schien hier nicht nur der Dirigent Salsa tanzen zu wollen. Das hatte durchaus etwas Chaplineskes, taugte also als Brücke zur nachfolgenden Komposition von Charles Chaplin. Orchesterleiter Stefan R. Halder, der eigentlich „nicht politisch“ werden wollte, sorgte für nachdenkliche Töne im Angesicht der aktuellen Weltlage. Unfassbar sei, was sich in Israel und in der Ukraine ereigne: „Umso wichtiger ist es, dass die Gesellschaft zusammenkommt, wie zu diesem Konzert. Wir sollten Gutes tun und nicht resignieren, denn die Spirale muss nicht zwangsläufig immer abwärts-, sie kann auch aufwärtsgehen.“ Der Beifall zeigte, dass Halder dem Publikum aus der Seele sprach. Wie eine Bekräftigung wirkte Chaplins Musik in den elegisch schwelgenden Teilen, die sich wie ein großer Sonnenaufgang ausbreitete und die Welt mit Licht und Wärme zu fluten schien. Sinfonische Blasmusik im Kino- Breitwandformat bot dann auch das Große Blasorchester der Städtischen Orchester mit einer schottischen Krönungsmusik, die den zweiten Teil des Abends einleitete. Dichte, mit viel Schmelz und wie ein Gebet ins Werk gesetzte Klangflächen nebst Orchester- Tutti im Fortissimo. Schnell wurde deutlich, dass das Orchester unter Gunnar Dieth ein anderes Musizier- und Klangideal pflegt. Weniger Kontrast und Tiefenschärfe, dafür ein massiver, immer wieder energetisch aufgeladener Breitklang.
Sehr Iyrisch und warmherzig klang die „Haselnüsse für Aschenbrödel“- Musik, überaus passend zu den Fotos von behinderten Kindern, die im Hintergrund eingeblendet wurden – ihnen kommt der Erlös des Konzerts zugute. Und ganz von der Handbremse durfte das Orchester dann bei „Alcatraz“. Rhythmisch geschärft, mit feinen Soli durchsetzt, ging es bis ins stürmische Fortissimo-Finale. Ausdrucksstark und mit warm und rund fließendem Ton gestaltete Steffen Hellmig die Soloparts im Pop-Teil des Programms. Und prächtig vorbereitet und voller Spielfreude zeigte sich das Ensemble auch im jazzig angehauchten Schlussstück. Zum Finale spielten beide Orchester einen zackigen Marsch: Erneut gab es stehende Ovationen.